Teil 6: Von eigenen Erwartungen und selbst gemachten Druck
Nun hatte ich also eine Roadmap, mit der ich mich an die Überarbeitung der Geschichte machte. Dabei fing ich beinahe tatsächlich wieder von vorne an.
Bis zum 7. Kapitel nahm ich nur leichte bis mittelschwere Änderungen vor. Szenen wurden hinzugefügt, andere komplett verworfen. Ab dem halben siebten Kapitel habe ich die Geschichte dann komplett umgeschrieben und die Handlung ging in eine völlig neue Richtung.
Bei der Überarbeitung stellte sich schließlich eine weitere Erkenntnis ein: Eine Geschichte braucht Zeit.
Damit meine ich nicht, dass eine Geschichte sich ewig hinziehen soll. Vielmehr meine ich, dass man der Geschichte die Möglichkeit geben muss, sich zu entwickeln und zu präsentieren. Sie muss dazu animieren weiterlesen und in ihr eintauchen zu wollen. Kurz: Ihr eine erzählens- und lesenswerte Handlung geben.
Manche Geschichten sind erst nach sieben Bänden abgeschlossen. Manche ziehen sich mittlerweile so lange hin, dass sie von ihrer eigenen Fernsehserie überholt und zu Ende erzählt wurden.
Ich wollte meine Geschichte zwar nicht bis ins unendliche strecken. Aber eine zu hastig erzählte Geschichten ist eben genau das: Abgehetzt. Das lässt einen nicht nur unbefriedigt zurück, sondern vermitteln eben nicht nur beim Lesen das Gefühl unter Druck zu stehen und sich beeilen zu müssen. Am Ende ist die Geschichte wie eine Checkliste, die man stur und ohne Kompromisse runtergearbeitet hat.
Ich hatte die Geschichte mit dem Vorhaben begonnen, sie auf ein Buch zu beschränken. Sie sollte aber auch kein dicker Schmöker mit tausend Seiten werden, den niemand in die Hand nehmen will, weil allein seine erschlagende Dicke abschreckt.
Als ich meine Roadmap in Händen hielt, fiel mir auf, wie sehr ich mich mit dieser Einstellung selbst unbewusst unter Druck gesetzt hatte. Schlimmer noch, ich hatte dadurch auf Erklärungen über das Wieso und Warum oder Charakterentwicklungen fast vollkommen verzichtet. Ich hatte das alles in meinem Kopf, wo es wie selbstverständlich zum geschriebenen "dazu getextet" wurde. Im bisherigen Skript selbst hatte das alles gefehlt. Das war zum einen durch den mir selbst gemachten Druck entstanden. Nur ein Buch, weniger als 300 Seiten! Zum anderen vermutlich auch aus meiner Befürchtung heraus durch zu lange Um- bzw. Beschreibungen und zu vielem drum herum ins Schwafeln und somit ins Langweilen zu geraten. Wie kann jedoch etwas Schwafeln sein, wenn es zum Verständnis und zur Logik beiträgt? Ja, sogar notwendig ist?
Also warf ich meine bisherige Einstellung über Bord und bereicherte meine Geschichte um wichtige Elemente. Und siehe da, schon ging mir das Schreiben leichter von der Hand. Auch mein neuer Gedanke "na dann wird es halt mehr als ein Buch" trug spürbar zu meiner Entspannung bei. Beim Korrekturlesen (lassen) gabe es dann natürlich hier und da die ein oder andere Einkürzung. Im Großen und Ganzen hat sich die Umstellung meiner eigenen Erwartungen und Vorstellungen positiv ausgewirkt.
Vielleicht beruhen meine bisherigen Einstellungen zu der Herangehensweise an die Geschichte und mein unprofessionelles Handeln darauf, dass ich bislang nur Kurzgeschichten verfasst habe. Das mag sein.
In jedem Fall hatte ich nun nicht nur ein Ziel, sondern auch den Kurs, um dorthin zu gelangen und ein gutes Gefühl endlich den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.
Die Geschichte konnte voran schreiten.
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Eingestellt am: 13.09.2020